Rotkapi



Manche Menschen lernt man auf seltsame Weise kennen, und dann ist es, als würde man sie schon ewig kennen. Bei Rotkapi war das so: der Mann, der das ein wenig masochistische Interesse pflegt, alles über die Gentrifizierungs-Debatte in Berlin zu lesen, stößt dabei auf das Weblog einer Frau, die sich vorgenommen hat, 200 Tage lang jeden einzelnen Tag im Prenzlauer Berg an Türen zu klingeln und sich zu Kaffee und mitgebrachtem Kuchen und Küchentischgesprächen einladen zu lassen. Fand er toll. Eine, die mutig ist, die sich auf die Wirklichkeit und auf Menschen und ihre eigene Schüchternheit einlässt. Die musst du kennenlernen, mailte er mir, manchmal mailen wir uns tatsächlich von Zimmer zu Zimmer, wenn ich mit dem Baby auf dem Sofa spiele und er in der Küche arbeitet.

Ich begann zu lesen. Und beneidete Rotkapi schon nach den ersten Einträgen um ihr Blog
 "Hausbesuchswins". Obwohl ich vermutlich spätestens nach drei Tagen desertiert wäre: jeden Tag einen Kuchen backen? Jeden Tag irgendwo klingeln, bei wildfremden Menschen, die nicht eingestellt sind auf Besuch? Jeden Tag darüber schreiben? Und das alles mit einem Baby? Und sie schreibt gut, sogar sehr gut. Die Frau muss ich kennenlernen. Also lade ich sie zum Kaffee ein, vielleicht hast Du ja mal Lust auf eine Backpause, schreibe ich ihr, und dass ich ihre Idee ganz großartig finde. Noch am gleichen Tag schreibt sie zurück, wir verabreden uns für Sonntagnachmittag.

Ich freue mich. Ich bin aufgeregt. Rotkapi ist eine fantastische Beobachterin und es macht mich jetzt doch ein wenig nervös zu wissen, dass sie über mich schreiben wird, die Wohnung, unser Leben. Ich backe: Zitronen-Thymian-Kuchen und Mokka-Cupcakes, viel zu viel, wie immer, wenn ich aufgeregt bin, mit dieser Kaffeetafel könnte ich eine ganze Grundschule satt bekommen. Und dann klingelt es, hier ist Rotkapi, sagt die Gegensprechanlage, darf ich hochkommen? Und dann kommt sie herein, ihr Baby um den Bauch gebunden, und schleppt auch noch eine riesige Blume für uns mit und eine rotkarierte Wal-Rassel für Fanny und wir setzen uns im Schneidersitz auf unser Riesensofa, als wären wir Freunde, die sich nur länger nicht gesehen habe, und nach drei Sätzen bin ich nicht mehr verlegen. Und wir reden und lachen und reden, und die kleine Marie kratzt Fanny an der Nase und Fanny schreit und klaut ihr den Schnuller und wir lachen und trösten unsere empörten Babys, und reden über das Klischee der Mütter vom Prenzlauer Berg und über unsere Müdigkeit und übers Schreiben und über unsere Geburt und die Schmerzen und das Glück unseres neuen Lebens. Was für eine schöne Frau, denke ich mir zwischendurch, nicht nur, weil sie wirklich hübsch ist, auf eine sehr altmodische Art, sie schminkt sich nicht groß, leuchtet aber sehr, sondern weil sie ein schöner Mensch ist, auch wenn man das nach zwei, drei Stunden kaum sagen kann, es ist aber so: Rotkapi ist schön und wach und schlau und warm, sie hört zu, stellt Fragen, schaut einen an, lacht, schmust zwischendurch ihre entzückende Tochter, ich mag diese Frau, ich mag sie sogar sehr. Als sie geht, sage ich: Lass uns bald wiedersehen, und sie sagt ja, das wäre schön, und ich weiß, das ist keine Floskel, und ich freu mich, über den Nachmittag, das Internet, diese tolle Frau.

Hier ist ihr Blog.

Und hier, damit ihr auch etwas von diesem schönen Sonntagnachmittag habt, das Rezept für meinen neuen Lieblingskuchen: Zitronen-Thymian-Rührkuchen aus dem wunderbaren Kochbuch "Cake Days":

ZITRONEN-THYMIAN-KUCHEN

Für den Teig:
190g weiche Butter
190g Mehl
Geriebene Schale von zwei Bio-Zitronen
3 TL fein gehackter (Zitronen-) Thymian
190g Zucker
3 Eier
1 TL Backpulver
1/4 TL Salz
25ml Sauerrahm

Und für den Sirup:
40g Zucker
Schale und Saft von 1 Bio-Zitrone
2 TL fein gehackter (Zitronen-) Thymian
40ml Wasser

Den Ofen auf 170°C Umluft vorheizen. Eine Kastenform buttern und mehlen. Die Butter, die Zitronenschale, den Thymian und den Zucker vermixen (ich mach das mit meiner Küchenmaschine, ein normaler Mixer tuts aber auch). Jetzt kommen einzeln die Eier dazu, bis alles gut verrührt ist. Nun das Mehl, das Backpulver und das Salz vermischen und nach und nach mit dem Teig verrühren. Am Ende den Sauerrahm dazu geben und so lange mixen bis ein fluffiger Teig entsteht. Dann kommt der Teig in die vorbereitete Kastenform und in den Ofen, für 40-50 Minuten.

In der Zwischenzeit den Sirup vorbereiten: Alle Zutaten in einen kleinen Topf geben und zum Kochen bringen. Solange köcheln lassen bis er etwa um die Hälfte einreduziert ist. Sobald der Kuchen aus dem Ofen kommt, wird der Sirup darüber gegossen. Kurz auskühlen lassen und dann noch warm essen.

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